Praktika / BuFDi

Erfahrungsberichte

Das medicos.AufSchalke bietet jungen Menschen bis 27 Jahre die Möglichkeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes rund ein Jahr in die Arbeitsbereiche Pflege, Therapie oder Haustechnik hineinzuschnuppern. Von Sommer 2019 bis Sommer 2020 haben Larissa Wlodkowski und Melissa Julius ihren Bundesfreiwilligendienst im Bereich der Pflege des medicos.AufSchalke absolviert.

Erzählt ein bisschen über euch: Wer seid ihr, woher kommt ihr, wie seid ihr auf den Bundesfreiwilligendienst gekommen?
Larissa: Mein Name ist Larissa, ich bin 19 Jahre alt und komme aus Gelsenkirchen. Ich habe im letzten Jahr meine Fachoberschulreife in Wirtschaft und Verwaltung gemacht und wollte eigentlich beim Zoll anfangen. Leider habe ich die Anmeldefrist verpasst. Weil ich nicht ein Jahr verschenken wollte, habe ich mich nach sinnvollen Alternativen für ein Jahr umgeschaut und bin dabei auf die Möglichkeit für den Bundesfreiwilligendienst gestoßen. Ich habe mich sehr bewusst für den Bereich Pflege entschieden, weil ich davor nie Berührung mit einem medizinischen Arbeitsfeld hatte. Ich wollte wissen, ob mir das liegt und ob ich nicht doch vielleicht in diesem Arbeitsfeld eine berufliche Perspektive finde.
Melissa: Mein Name ist Melissa Julius, ich bin 18 Jahre alt und habe im letzten Jahr mein Abitur gemacht. Während der Schulzeit hatte ich geplant, ein duales Studium zum Bachelor of Laws zu machen und ich habe mich eigentlich an verschiedenen Stellen dafür beworben. Leider wurde ich, u.a. aufgrund meines jungen Alters nirgendwo angenommen und ich musste mich um eine Alternative für das Jahr bemühen. Die Berufsberatung in der Schule hat mir den Bundesfreiwilligendienst vorgeschlagen. Durch eine Freundin, die im Vorjahr als Bufdi im medicos war, bin ich auf die Pflege aufmerksam geworden und fand es eine gute Alternative. Sie hat mir erzählt, dass die Pflege-Bufdis nicht nur medizinische Tätigkeiten, sondern auch zahlreiche administrative Handlungen durchführen. Und weil mir Verwaltung liegt, dachte ich, ich probiere es einfach aus.

Und? Welche  Erfahrungen habt ihr in der Zeit gesammelt? Hat es euch gefallen oder habt ihr das Jahr als ein verschenktes Jahr empfunden?
Melissa: Auf keinen Fall war das ein verschenktes Jahr!
Larissa: Für mich auch nicht. Ich habe mich in diesem Jahr menschlich wahnsinnig entwickelt.
Melissa: Dem kann ich nur zustimmen. Bin sehr froh, dass ich dieses Jahr gemacht habe. Man muss hier selbständig arbeiten und lernt, Verantwortung zu übernehmen. Es besteht nicht immer die Möglichkeit, jemanden zu fragen und es begegnen einem unerwartete Situationen, in denen man eigenständig Entscheidungen treffen muss. Anfänglich war das natürlich heftig und ich wusste nicht alles, aber mit der Zeit kam Routine und mein Selbstbewusstsein ist seit dem sehr gewachsen.
Larissa: So war es bei mir auch. Ich bin hier gereift, erwachsener geworden, habe die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt und auch erlebt, was es bedeutet, in einem großen Unternehmen zu arbeiten mit den dazugehörigen Strukturen. Es ist ja auch ganz wichtig, dass man Hierarchien kennenlernt und auch versteht, was sie bedeuten. Ich habe diese Strukturen meiner Zeit im medicos kennenlernen dürfen, so dass ich mich nun gut auf eine Ausbildung vorbereitet fühle.  
Melissa: Was ich außerdem richtig gelernt habe, war mich zu organisieren. Als ich in der Schule war, war das Mittagessen fertig, jetzt bin ich neun Stunden an einem Ort und muss mir im Vorfeld überlegen: Was esse ich denn morgen in der Pause? Und man lernt mit seinem Geld umzugehen. Man verdient für einen Bufdi im medicos überdurchschnittlich gut, trotzdem ist das nicht die Welt und man muss damit haushalten.
 

Bundesfreiwilligendienst in Corona-Zeiten - Larissa Wlodkowski und Bufdi-Kollegin Weronika Grabinski haben Spaß bei der Arbeit, trotz Maske

 

Gibt es etwas, das euch vielleicht nicht so gut gefallen hat?
Larissa: Ich hatte schon Anfangsschwierigkeiten. Von der Schule ist man so einen straffen Tagesablauf nicht gewöhnt. Jeden Tag früh anfangen und bis 16:00 Uhr arbeiten. Das ist schon eine ziemliche Umstellung und am Anfang richtig anstrengend.
Melissa: Ja, das ging mir genauso.  Man merkt ganz schnell, wie schön es ist, in die Schule gehen zu dürfen. Eine 40 Stunden Woche ist da eine völlig andere Hausnummer. Und man muss natürlich auch seinen Urlaub ganz anders planen als Ferien. Man hat 27 Urlaubstage und fünf Seminarwochen, so dass man sich auch mit den anderen über den Urlaub abstimmen muss.

Wie fühltet ihr euch aufgenommen?  Wurdet ihr beispielsweise weniger in die Pflicht genommen, weil ihr „freiwillig“ hier seid, oder seid ihr vollständig eingebunden worden – vielleicht sogar zu sehr und ihr fühltet euch unter Druck gesetzt?
Melissa: Druck habe ich nicht empfunden, aber wir haben hier schon Aufgaben, die wir gewissenhaft machen müssen und die möglichst fehlerfrei erledigt werden sollten. Wenn mal Fehler gemacht wurden, wurden wir direkt angesprochen und darauf hingewiesen, aber man brauchte nie Angst davor haben, sondern es wurde sehr sachlich Kritik geäußert. Es wurden Lösungen gesucht, damit die Fehler nicht  noch einmal passieren. Klar gab es auch Tage, die stressig waren, aber das gehört wohl auch dazu im Arbeitsalltag.
Larissa: Ich bin hier richtig gut aufgenommen worden, habe in jeder Abteilung nette Menschen getroffen, die mir immer mit Respekt begegnet sind. Wir müssen ja zum Beispiel die Verbandskästen im Haus regelmäßig kontrollieren und auffüllen. Dabei kommt man in fast jede Ecke des Hauses und hat zu jedem Kontakt. Die Begegnungen sind immer freundlich und man hat nie das Gefühl, „nur“ der Bufdi zu sein, sondern Teil eines großen Teams.

Und wenn ihr jetzt ein abschließendes Resümee zieht: wie fällt das aus?
Melissa: Durchweg positiv. Meine ursprüngliche Motivation war es, keine Lücke im Lebenslauf zu haben, darum war ich wirklich motiviert. Neben der persönlichen Entwicklung habe im Verlauf die Erfahrung gemacht, dass die Bufdi-Zeit auch bei Bewerbungsgesprächen richtig gut an kommt. Tatsächlich war am Ende war das bei mir ein großer Pluspunkt in verschiedenen Bewerbungsgesprächen.
Larissa: Dem kann ich nur zustimmen. Auch ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Bufdi-Zeit bei Bewerbungsgesprächen immer sehr positiv aufgenommen wurde. Ich bin häufiger danach gefragt worden, was ich denn während dieser Zeit alles gelernt habe und das sind dann oft Dinge, die Schüler noch nicht beherrschen, wie z.B. eine angemessene Gesprächsführung in total verschiedenen Situationen. Aber auch Leistungsbereitschaft oder 1. Hilfe. Dadurch dass ich täglich mit Menschen zu tun habe, die in irgendeiner Weise eingeschränkt sind, habe ich meine Hemmung, Hilfe zu leisten, abgelegt.

Und wie geht es nun weiter für euch?
Melissa: Tatsächlich habe ich während des Jahres festgestellt, dass die pure Pflege nicht mein Ding ist. Der administrative Teil hat mir erheblich mehr Spaß gemacht. Daher werde ich werde bei der Stadt Dorsten duales Studium im Bereich Verwaltung beginnen.
Larissa: Ich fühle mich im Bereich Verwaltung und Büro auch wohler, habe ich festgestellt. Daher beginne ich mit einer Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Sparkasse Gelsenkirchen.

medicos.AufSchalke, 30.06.2020, das Gespräch wurde geführt von Nina Stiller-Peters